Auf der Suche nach ein klein wenig Normalität

Sein größter Wunsch? Da muss Fadel nicht lange nachdenken. ,,Eine kleine Wohnung für meine Familie und mich wäre sehr schön", sagt der 30-Jährige. Angesichts seiner drei Kinder klingt der Wunsch bescheiden, aber auch sehr nachvollziehbar. Fadel, seine Frau Khatun und die Kinder Dunia, Deixwaz und Divan sind seit einem Jahr in Berlin.

In diesen zwölf Monaten musste die Familie viermal umziehen - von einem Flüchtlingsheim ins nächste. Aktuell lebt sie in einer Unterkunft in Lichtenberg. Alle fünf teilen sich ein Zimmer. Um ins Bad oder auf die Toilette zu gehen, müssen sie über den Flur. ,,Das ist vor allem für meine Kinder keine schöne Situation", sagt der Familienvater.

Ein Stück Normalität ist das, wonach sich alle sehnen, denn sie haben Furchtbares erlebt. Als Divan 20 Tage alt war, mussten sie nachts aus ihrer irakischen Heimatstadt Sindschar vor der Terrormiliz IS fliehen. Viel mehr als ein paar Habseligkeiten blieb der Familie, die zur Minderheit der Jesiden in der knapp 40.000 Einwohner großen Stadt an der syrischen Grenze gehört, nicht. Nach einem 24-stündigen Fußmarsch durch das Sindschar-Gebirge erreichte, sie die syrische Grenze. In einem syrischen Auffanglager blieben die Fünf 20 Tage, bevor sie ihre Flucht über die Türkei nach Deutschland fortsetzten.

Auch ein Jahr nach der Flucht, fällt es Khatun und Fadel schwer, über ihre Erlebnisse zu berichten. Immer wieder füllen sich die Augen der beiden mit Tränen. Sie vermissen ihre Heimat und ihre Familie sehr. Glücklicherweise sind alle anderen Angehörigen mittlerweile auch in Deutschland in Sicherheit. Fadels Bruder lebt mit seiner Familie in Dortmund. ,,Dorthin würden wir auch gern ziehen, wenn es irgendwie geht", sagt Fadel, der schon ganz gut Deutsch spricht.

Ob oder wann sich diese Möglichkeit für Khatun und Fadel bietet, ist völlig unklar. Sicher und eine große Erleichterung für die beiden sind hingegen die Plätze in der Kita der Kirchengemeinde. ,,Alle drei Kinder fühlen sich sehr wohl und gehen gern in die Kita", erzählt der 30-Jährige. Die fünfjährige Dunia sowie der dreijährige Deixwaz haben sich bereits sehr gut bei den großen Hummeln eingelebt. Der zweijährige Divan fühlt sich bei den kleinen Hummeln wohl. Er tobt schon mit den anderen Kindern durch die Räume der Kita und freut sich auf das Spielen im Freien. Die Kinder brauchen bald keinen Übersetzer mehr, ihr Deutsch wird immer besser.

Um in Berlin und in Deutschland richtig anzukommen, wollen Khatun und Fadel die Sprache natürlich lernen. Sie sind sehr froh, dass sie nach fast einem Jahr Wartezeit endlich Ende Oktober einen Platz in einem Deutschkurs bekommen haben. "Die Sprache ist das schwierigste für uns und die größte Hürde, "sagt Fadel.

Um diese zu erklimmen, würde er auch gern arbeiten. Am liebsten auf dem Bau oder in einem holzverarbeitenden Gewerbe. Wenn ihm das gelänge und sie eine Wohnung in der Nähe der Kita fänden, wäre schon ein großes Stück Normalität gefunden.